Maulkorb 2008

Meine Damen und Herren, liebe Gäste,
Der Mann, der heute von uns den Maulkorb erhalten soll, ist gewiss der sympathischste unter den bisherigen Preisträgern. Er ist so gut wie immer zu erreichen, er vermittelt Interviews und produziert jede Menge Presseerklärungen. Und Antworten gibt er auch immer.

Wenn auch nicht auf die gestellten Fragen.

Gewiss, es gäbe auch andere  Geschichten zu erzählen. Über Pressekonferenzen, die oft vielem, nur nicht dem Mitteilen wichtiger Neuigkeiten dienten. Über Fernsehteams, die vergeblich auf ihr Interview mit dem Ministerpräsidenten warteten.

Doch der Hauptgrund für die heutige Verleihung ist ein anderer: die  Kabinettsreform.
Ein wahres Gesamtkunstwerk politischer Kommunikation.

Gut ein Jahr lang waberten bereits Gerüchte darüber durch die Staatskanzlei. Doch von der Regierung war offiziell nur ein Kommentar dazu zu hören: „Das ist Blödsinn“.

Das ändert sich freilich alles an einem Dienstag im April. Da erklärt der Innenminister gegenüber dem Ministerpräsidenten seinen Rücktritt. Der ist anscheinend so überrascht, dass er ganz vergisst, wie gewohnt nicht nur die Medien nicht zu informieren, sondern auch nicht seine Parteifreunde in Kabinett und Fraktion. Statt dessen fährt er weg, um den Handwerkskammer-Präsidenten in Gera in den Ruhestand zu verabschieden. Zurück in Erfurt empfängt er, der Terminplan ist heilig, die Landesbischöfe.

Dann, immerhin, darf man ihn nach dem längst durchgesickerten Ministerrücktritt und seinen Folgen befragen. Kommt es nun zur Kabinettsreform? „Es besteht“ ,sagt der Regierungsschef, „dazu keine Notwendigkeit.“

Es folgen weitere Dementis, dann sybillinisch deutbare und irreführende Aussagen. Und schließlich, nach zwei Wochen die Auswechslung von sechs Ministern. Einer der Neuen freilich darf dann frei und unbegleitet in jedes Mikrofon sagen, was er schon immer mal sagen wollte. Vor allem über seine frühere Tätigkeit für eine rechtskonservative Zeitung. Darüber kann man ja durchaus geteilter Meinung sein – und das zeigt die Staatskanzlei freundlicherweise gleich selbst, in dem der Kandidat genau das Gegenteil von dem sagen darf, was der Ministerpräsident davon öffentlich hält. Kurz vor Schluss wird der Designierte dann doch noch schnell ausgetauscht.

Haben wir schon gesagt, dass man versäumte, eine Regierungserklärung vorzubereiten, für die es dann, als sie die Opposition forderte, leider zu spät war? Und man sie dann doch ganz spontan bei einer Regierungspressekonferenz gibt. Was aber keiner mitbekommt, auf der Ankündigung stand schließlich nur was von Planungsstand für die anstehende Russlandreise.

Schließlich vorkündet der Ministerpräsident voller Stolz, das alles habe er ja seit Monaten alles so geplant.

Für solch ein Gesamtkunstwerk kann einer gar nicht allein verantwortlich sein.
Zumal es Regierungssprecher Fried Dahmen, der zuvor zwölf Jahre lang Nachrichtchef einer Tageszeitung in Niedersachsen war, sicher besser weiß und kann. Er darf aber, was für ein merkwürdiger Zustand,  nicht einmal die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit leiten, obwohl er doch für die Regierung sprechen soll.
Aber Fried Dahmen ist nun mal der Sprecher dieser Regierung, und in dieser Rolle gehört es zu den - gewiss unterbezahlten - Pflichten, heute den Maulkorb stellvertretend verliehen zu bekommen.

Herzliche Glückwunsch!
Falk HEUNEMANN

Comments are closed.


Categories

Gestaltet von Falk Heunemann